2.7.3.2.a Reisebericht Christian Westsahara

Eine Reise zu den Sahrauis

 

Von den Flüchtlingslagern in Südostalgerien in die befreiten Gebiete der Westsahara.

 

Es fängt schon bei der Landung in Tindouf an: Am Samstag erreichen wir mit einem Flug von der Hauptstadt Algier aus das algerische Tindouf. Die Einreiseformalitäten sind dort gleich doppelt zu erledigen. Denn Tindouf ist nicht nur eine kleine Stadt im Südosten Algeriens. Um diesen Ort herum haben sich nach Flucht und Vertreibung durch Marokko viele BewohnerInnen der früheren spanischen Kolonie Westsahara angesiedelt. Algerien stellte den Geflüchteten Teile seines Territoriums zur – eigentlich vorübergehenden – Ansiedlung zur Verfügung. Dieser Zustand dauert nun schon mehr als 40 Jahre.

 

Für zwei Tage leben wir bestens ver- und umsorgt bei sahrauischen Familien und besuchen verschiedene soziale Einrichtungen, Museen und Einrichtungen zur Wasserversorgung der Menschen. Letzteres ist in dieser ebenso extremen wie eintönigen Wüstenregion ohne Baum und Strauch, ohne Palmen und auch weitgehend ohne Wasserstellen kein leichtes Unterfangen. Es fällt auf, wie gut organisiert die Menschen sich trotz der widrigsten Bedingungen ihr Leben hier gestalten. Im Vergleich zu so vielen arabischen Städten, die ich bisher gesehen habe, beeindrucken auch die sauberen Straßen, oder besser gesagt Sandpisten; denn asphaltierte Wege gibt es nur zwischen Tindouf und den 4 Flüchtlingslagern, die übrigens ihre Namen von Städten der von Marokko besetzten Teile ihres Landes bekommen haben (Smara, Dakhla, Layoun, Ausserd).

Mit gut ausgerüsteten Geländeautos geht es dann weiter in die freien Teile der Westsahara. Diese stellen leider nur den sehr viel kleineren Teil der (DARS) Demokratischen Arabischen Republik Westsahara dar. Eskortiert werden wir von der Gendarmerie der DARS sowie von Mitarbeitern des „Protokollo“, die für die ausländischen BesucherInnen der Westsahara zuständig ist. In jedem Fall sind dies Leute, die sich sehr genau in ihrem Land auskennen, haben doch viele von Ihnen nicht nur über Jahre an den Militäroperationen zwischen den marokkanischen Kolonisatoren und den Sahrauis teilgenommen. Manche leben auch zumindest zeitweise im freien Teil der DARS.

Schon nach ein paar Stunden Fahrt gibt es ein landschaftliches und kulturelles Highlight nach dem anderen. Am selben Tag noch finden wir beim Wadi Slugia auf flachen Felsplatten zahlreiche schöne Felsgravuren. Rinder, Ziegen, Giraffen, Strauße und Menschen sind zu sehen. Unterwegs finden wir in einem Wadi Fossilien besonderer Art: Zahlreiche versteinerte Hörner von Mufflons, Gazellen und Schnecken sind im Sand zu finden. Mitnehmen können wir natürlich keine davon, nicht zuletzt weil der algerische Zoll bei der Ausreise das Gepäck sehr genau kontrolliert.

Abends suchen unsere Begleiter länger nach dem Lager der Nomadenfamilie, wo wir übernachten werden. Da diese ihren Platz natürlich öfters wechseln, waren die gar nicht so einfach zu finden. Mohammed, unser deutschsprachiger Touroperator, kann die gastfreundlichen Sahrauis bei bestem Willen nicht davon abhalten, gleich ein - gar nicht mal so kleines! - Lamm zu unseren Ehren zu schlachten. Die Übernachtung im Nomadenzelt, das gute Essen und die angeregte Unterhaltung (wie noch so oft in einer Melange aus Deutsch/Spanisch/Englisch/Französisch/Hassani) bleibt unvergessen für mich. Auch hier habe ich nur Menschen getroffen, die fest davon überzeugt sind, dass die Westsahara irgendwann mal das Joch des Kolonialismus abschütteln kann.

 

Am nächsten Tag geht es nach kurzer Fahrt in eine Berggegend mit atemberaubender Höhlenlandschaft. Hier hatte sich das sahrauische Militär bis in die 90er Jahre einquartiert und sich in manchen dieser Höhlen häuslich eingerichtet. Jede Menge Patronenhülsen, Granaten und sonstiges Militärgerät zeugen noch von dieser Zeit. Beruhigend, dass unsere sahrauischen Begleiter Entwarnung bezüglich Minen oder sonstiger Überraschung geben können…

In Bir Teghessit halten wir uns nur kurz auf. Dort stehen zwar zahlreiche Gebäude bzw. Zelte. Diese sind aber meist nur bewohnt, wenn es dort nach Regenfällen für die Schafe, Ziegen und Kamele der Nomaden etwas zu fressen gibt. Leider hatte es dort das ganze letzte Jahr über so gut wie nicht geregnet. Wir übernachten an einem kleinen Bergrücken mit weiter Sicht bis zum Sonnenuntergang. Wie jeden Abend gab es vor, zum und nach dem Abendessen den typischen stark gezuckerten Tee aus kleinen Gläsern. Selbstverständlich wird das Essen auf offenem Feuer zubereitet.

 

Der Dritte Tag unserer Reise in die Westsahara brachte uns nach Tifariti, die – wohl aus politischen Gründen – eine ganze Reihe offizieller Institutionen der DARS beherbergt, obwohl dort eigentlich nur wenige Menschen wohnen. Entwicklungshilfeprojekte habe geholfen, ein größeres Krankenhaus dort einzurichten. Ein landwirtschaftliches Projekt scheiterte jüngst aus Wassermangel.

Auch hier fanden vor Jahrzehnten Kämpfe zwischen den Besatzern und den Sahrauis statt. Vom marokkanischen Militär blieb ein abgeschossener Panzer ebenso wie ein Flugzeugwrack zurück. Für zwei Tage lagern wir beim Bergzug Rekeyez. Traumhafte Landschaften und zahlreiche interessante Felsbilder an Felsüberhängen sind der Grund für unseren langen Aufenthalt. Eine ganzen Tag gehen und kraxeln wir mit Wanderstiefeln in der Gegend herum.

 

Nach der Weiterfahrt kehren wir in Meherez ein, wo wir von einer Familie mit dem Mittagessen versorgt werden, bevor wir bei Bulheir zu ersten Mal Sanddünen zu sehen bekommen. Auch dort gibt es wieder Felsbilder zu sehen, diesmal sind sie besonders groß und deutlich.

Nach einigen unvermeidlichen Reifenpannen übernachten wir noch einmal außerhalb der Flüchtlingslager. Allerdings führt die Piste ein Stück durch Mauretanien. Niemand stört sich daran, dass wir auf mauretanischem Territorium bei ein paar Akazien übernachten.

Bevor wir nach Algier und von dort aus nach Frankfurt zurück fliegen, besuchen wir in Rabuni, dem Verwaltungszentrum der Flüchtlingslager, noch das große Museum über den Kampf für die Unabhängigkeit der Westsahara. Unter anderem sind zahlreiche Beutefahrzeuge der Marokkanischen Armee zu sehen. Unimog, Mirage, Willys Jeep, das Thema Rüstungsexport war und ist aktuell...

 

Beim nächsten Mal wäre ich gerne wieder dabei, wenn auch die südlichen Teile der befreiten Zone mit Sandsteinformationen, Bergrücken, Gueltas, Flugzeugwracks und einem Monolithen … besucht werden.

März 2018/ Christian Wunner

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