Reise in das vergessene Land der Sahrauis
Bericht über eine Erkundungsreise in die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS)
Schon lange interessiert mich die Westsahara, ein 266 000 km² großer Landstrich in Nordwestafrika, der der Kolonialisierung noch immer nicht entkommen ist. Nach 90 Jahren hat Spanien die Kolonie 1975 zwar verlassen, sie nicht jedoch seinen BewohnerInnen zurück gegeben. Marokko und Mauretanien haben es daraufhin besetzt. Mauretanien verließ seinen Teil 1979, der in der Folge von Marokko – bis heute - eingenommen wurde. Von der UN wird die Westsahara als das einzige Land Afrikas, das seine Entkolonialisierung nicht abgeschlossen hat, bezeichnet.
Der Widerstand der BewohnerInnen, vertreten durch die Polisario, der sahrauischen Befreiungsbewegung führte zu einem jahrelangen Krieg mit Marokko, der letztendlich mit dem Bau eines 3-fachen 2700 km langen Walls durch die Sahara und 1991 zu einem bis heute andauernden Waffenstillstand führte.
Eine Lösung des Konflikts bedeutete das nicht, denn die Sahrauis flohen zu großen Teilen aufgrund von Napalm- und Phosphorbombardierungen durch die marokkanische Armee ins benachbarte Algerien, wo sie seit nunmehr 42 Jahren auf eine Rückkehr warten. Verzögert wird dies durch ein bisher nicht durchgeführtes Referendum. Marokko selbst betrachtet sich als rechtmäßiger Nachfolger der spanischen Kolonialherren.
Die Weltgemeinschaft hat den Konflikt weitgehend vergessen. Ein Versuch ihn in die Öffentlichkeit zu rücken, ist der seit 17 Jahren stattfindende Saharamarathon zwischen den Flüchtlingslagern im algerischen Tindouf.
In den 4 Lagern leben jeweils etwa 40 000 Menschen in Zelten, mittlerweile aber auch in festen Bauten. Ein Problem sind die manchmal schauerartigen Regenfälle, die die Lehmhäuser alle paar Jahre wegspült.
Unsere Reise beginnt in Tindouf, da man nur von hier aus in die nicht besetzten Teile der Westsahara reisen kann. Selbst wir verspüren schon nach wenigen Tagen in den Flüchtlingslagern die endlose Trostlosigkeit und Langeweile, die sich in der fast pflanzen- und konturlosen Weite ausbreitet. Andererseits sind wir fasziniert von der durchdachten Organisation. Es ist auffallend sauber. Selbstbewusste Frauen gehören ebenso zum Straßenbild wie Männer. Wir beobachten die Verteilung von Lebensmitteln. Die gesamten Alltagsgüter kommen über den UNHCR in die Lager. Nur sehr vereinzelt gibt es seit ein paar Jahren private Läden und privates Geld aufgrund der im Ausland lebenden Sahrauis, der Pensionszahlungen der Spanier an ehemalige Soldaten sowie kleine Verdienste in der eigenen Verwaltung. Es gibt kleine Kultur- und Geschichtsmuseen, soziale Einrichtungen, viele von Solidaritätsgruppen aus aller Welt initiiert und finanziert.
Endlich starten wir am vierten Tag unsere Geländewagenfahrt in die befreite Zone. Etwa ein Drittel der Westsahara – etwas größer als Bayern - gehört dazu. Angefahren und versorgt wird sie allein von den Flüchtlingslagern bei Tindouf. Sie befinden sich auf algerischem Territorium und werden von den Sahrauis selbstverwaltet. Da es bis zur Grenze aber auch durch „echtes“ algerisches Gebiet geht, kommt zusätzlich zu unserer sahrauischen Eskorte aus Polizei und Ausländeraufsicht auch noch eine algerische Polizeieskorte dazu. Für die Erkundungsfahrt sind wir 3 Teilnehmer mit 7 Begleitern, davon 1 Koch und 1 örtlicher Tourguide.
In der befreiten Zone sind die Minen aus dem Krieg nach Angaben der Polisario entweder geräumt oder gekennzeichnet und werden noch geräumt. Am „Eingang“ erhalten wir ein Infoblatt zum Erkennen und Verhalten dazu. Auch deshalb brauchen wir die Eskorte. Das Ende der freien Zone bildet der durch marokkanische Soldaten und Minen gesicherte Wall.
Weite, fast menschenleere Wüstenlandschaften ohne jegliche asphaltierte Wege begleiten uns die nächsten Tage. Es hat aufgehört trostlos zu wirken. Wir passieren zahlreiche Wadis (Trockenflüsse) mit Baumbestand, Bergrücken und Tafelberge am Wegesrand oder Horizont, faszinierende Gesteinsformationen, die mal „nach Felsbildern riechen“, und oft auch welche beinhalten oder eine weite Aussicht bieten. Felsbilder und Fossilien zeugen von einer anderen Zeit mit Menschen, Tieren, Wasser…
Nur wenige Felsbilder sind bisher bekannt. An einer Stelle sind wir erst die dritte Gruppe, die dorthin geführt wird, nachdem Nomaden darüber berichtet hatten. Wunderschöne deutliche große Szenen in gut erhaltenden Farben sehen wir dort. Nichtsdestotrotz fehlen bereits alle Pfeilspitzen, die dort vermutlich in einer „Werkstatt“ gefertigt wurden.
Den ersten Abend verbringen wir bei einer Nomadenfamilie. Seit Jahren immer im gleichen Gebiet aber immer neuen Plätzen schlagen sie ihr Lager auf. Immer gehört zu den Zelten und Vieheinfriedungen auch ein Geländeauto, mit dem Lebensmittel, Wasser oder der gesamte Hausstand transportiert wird. Die Wasserbeschaffung ist mühselig. Nur wenige Brunnen existieren hier. Von weit her werden „Wasserkissen“ und Plastikquader gefüllt. Nicht immer reicht es für Mensch und Tier aus. Eines Abends suchte uns eine Gruppe Kamele auf. Sie schrien jämmerlich vor Durst. Dieses Jahr hat es nicht geregnet.
In den geräumigen mit Teppichen ausgelegten Nomadenzelten ist es gemütlich. Der kalte Abendwind kann uns nichts anhaben. Der klare Himmel breitet sich mit einem riesigen Sternenhimmel über uns aus.
Nur in wenigen Siedlungen treffen wir auf weit verstreute Gehöfte und Zelte. Sie wirken belebter als sie sind. Die Menschen kommen nur dann mit ihren Tieren hierher, wenn der Regen das Futter hat sprießen lassen. So manches Gehöft erinnert noch an die kriegerischen Auseinandersetzungen.
Das ebenfalls einsame Tiferiti ist symbolische Hauptstadt und soll die Rückkehr der Sahrauis vorbereiten. Ich verstehe langsam die Frauen, die uns im Museum im Flüchtlingslager berichteten, dass sie dort, zu Untätigkeit verdonnert, krank und müde werden, währen sie sich wohl und frei fühlen, wenn sie die freie Zone besuchen. Den Schmerz darüber, dass die meisten weder dorthin zurück kommen noch Besuche abstatten können, wo sie im von Marokko besetzten Teil vor der Flucht gelebt haben – kann ihnen niemand abnehmen.
Es gibt so viel zu sehen und aufzunehmen, dass unser Plan, die gesamte freie Zone zu besuchen, nicht umgesetzt werden kann. Wir besuchen nur den nördlichen Teil bis Meherez und Budheir. Von Meherez fahren wir auf anderen Pisten wieder über einen kurzen Ausflug nach Mauretanien zurück in die Flüchtlingslager, wo wir von unserer Gastfamilie wieder herzlich in Empfang genommen und versorgt werden. Es ist ein bisschen wie „heimkommen“. Die Dusche aus der „Wassertonne“ ist ein Luxus!
In vielen Teerunden besprechen wir, was wir künftig beibehalten oder verändern wollen. Wir haben uns die komplette Reise lang sehr wohl und sicher und gefühlt und freuen uns schon jetzt auf einen neuen spannenden Ausflug in den südlichen Teil der nicht besetzten Westsahara!